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Barbara Collinet

geboren in Berlin

1984 - 1987      Studium der Malerei an der Universität der Künste Berlin
1991 - 1994       Studium an der Theaterschule "Etage" Berlin Studiengang Bühnenbild bei Roger Servais und Andre Woronic
1996 - 1998       Aufbaustudium der Kulturpädagogik an der Universität der Künste Berlin

lebt und arbeitet in Berlin

Farbe, Schönheit, Zerfall und Metamorphose

Barbara Collinets Farb- und Zeichen-Welt zwischen menschlichem Akt, Porträts und wundersamen Wesen

Von Sebastian Schwarzenberger


Ein Fundstück, er ist auf vielen ihrer Werke zu sehen: Der Einkaufswagen. Er ist ein Symbol der Gesellschaft, gerade in der jetzigen Zeit wird das wieder deutlich. Wir können auf vieles verzichten, aber der Einkauf muss sein. Er ist nicht nur lebensnotwendig, der Einkauf mit Einkaufswagen ist für viele Menschen - gerade ältere - auch das Tor zur Welt außerhalb ihrer Privatsphäre. Am besten geht es zum „Sonderangebot“, „Monstereinkauf“ oder „tierischen Einkauf“, wie Barbara Collinet es darstellt. Collinets Werke sind durchaus als sozialkritisch zu deuten. In den Einkaufswagen kommen bei ihr keine Lebensmittel oder Waren für den täglichen Bedarf. Sie bringt vielmehr die Tiere und Mischwesen aus dem Reich des Konsums ins Zentrum ihrer Bilder. Sie wirken mächtig und bedrohlich, auf einem Einkaufswagen lauert gar der Tod. Doch nicht immer, denn auch die Hoffnung entspringt dem Einkaufswagen, die Begegnung, der Familieneinkauf und der erotische Einkauf. Das pralle Leben erscheint im Einkaufswagen.

Ein originelles Motiv, denn der Einkaufswagen wurde in der Kunstgeschichte nur selten thematisiert. Das liegt natürlich einerseits daran, dass es ihn noch gar nicht so lange gibt. Andererseits ist er ein unauffälliger Bestandteil der Konsumwelt, der nur selten zu Ruhm und Ehren gelangt, scheinbar banal. Erinnern könnte man sich am ehesten an ein Motiv des Einkaufswagens im freien Fall von Banksy oder Duane Hansons lebensnahe Skulptur der Supermarktlady mitsamt Einkaufswagen und Lockenwicklern.

Meist bleibt nicht nur in den kleinen, sondern auch in den großformatigen Werken von Barbara Collinet der zeichnerische Charakter erhalten. Viele Jahre lang hat sie Akte gezeichnet, das war eine wichtige Schule für sie und es ist ein verbindender Aspekt zwischen den meisten ihrer Werke bis heute. Zahlreiche ihrer aus der Rohrfeder erschaffenen Wesen erscheinen nackt auf der Leinwand, sie bestehen scheinbar aus Knochen und Haut und gleichen biomorphen Erscheinungen. Ab und an regelrecht skelettartig, selten mit leichter Kleidung bedeckt. Die Konturen scheinen nicht recht zufassen zu sein, die Aquarellfarbe lässt das Motiv häufig noch weiter verfliegen. Neben dem Einkauf hält die Künstlerin Momentaufnahmen fest, Szenen aus dem Leben, von der Bühne oder aus dem Film. An der Bar, die Begegnung beim Einkaufen, beim Sport – im Zentrum der Darstellungen finden sich fast immer Figuren, die scheinbar auf der Durchreise sind. Ein Hintergrund oder Raum wird - wenn überhaupt – lediglich minimalistisch angedeutet. Collinet haucht hierbei der alten Technik der Rohfederzeichnung neues Leben ein. Sie bringt sie in ein großes Format und stellt so die Zeichnung mit der Malerei auf eine Stufe.

Barbara Collinet hat sich vom Einkaufswagen für zahlreiche ihrer Rohrfederzeichnungen auf Leinwand inspirieren lassen. Sie geben den diese Leinwände bevölkernden wundersamen Wesen einen Halt und eine Bühne. Für die neueren Arbeiten wurde die Künstlerin durch Gaze angeregt, die sie auf Baustellen entdeckt hat. Diese fast durchsichtige Gaze spannt sie in Keilrahmen und dann trägt sie eine eigens gefertigte Masse auf. Eine spezielle Ölmischtechnik, mit der sie dem neuen Farbauftrag bereits einen Alterungsprozess einschreiben kann. So tragen die Aktmotive in dieser Technik den Alterungsprozess nicht nur im Motiv mit den alternden Körpern, sondern auch in der Farbe in sich. Darüber hinaus integriert sie abgelegte Kleiderbügel, für sie eine Grundform des Alltagslebens wie der Einkaufswagen, die ein Symbol ist für zahlreiche abgetragene Kleidungsstücke und entsprechend vergangene Lebensabschnitte. Und so kommen Form und Inhalt in diesen Werken in Einklang. Sie selbst formuliert das folgendermaßen: „Durch Einbeziehen der Vergänglichkeit in den Entstehungsprozess werden neue Ausdrücke möglich, die die organische Sprache der Natur verwenden. Und so richten sich meine Werke auch weniger an den Kopf/den Intellekt, als eher an den Bauch/die Sinne der jeweiligen Betrachter – vermitteln keine rationalen Werte, sondern Gefühle. Sie wirken nicht steril in den Raum hinein, denn die Natur tut dies auch nicht.
“Ihre Farben mischt Barbara Collinet sorgsam und auch die Art des Auftrags – häufig anhand von Kunststofffläschchen - ist speziell. Für sie ist die Farbpalette breit: „Wir würden ja auch nicht jeden Tag das Gleiche essen“, sagt sie dazu.

In ihren künstlerischen Werken vereint die Künstlerin Barbara Collinet ihre Erfahrungen aus drei Studiengängen. Nach dem Studium der Malerei an der Universität der Künste Berlin (1984-1987)war sie von 1991 bis 1994 im Studiengang Bühnenbild an der Theaterschule “Etage” Berlin bei Roger Servais und Andre Woronic. In den Jahren 1996 bis 1998 folgte ein Aufbaustudium in Kulturpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Nicht nur die Kenntnisse der freien Malerei, des Bühnenbilds und der Pädagogik haben ihr Schaffen geprägt, sondern auch die Stadt, in der sie die letzten Jahrzehnte verbracht hat. Morbide Darstellungen mit dem Ausgangspunkt des knöchernen Wesens oder des Akts, reale Fundstücke wie Einkaufswagen und Gaze sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Ausstellungen

2021  Galerie 100
2018  Mirage, Berlin
2007  Art Center Berlin „Kunst aus Korea und Deutschland“
2006  Galerie Son, Berlin
2005  Galerie Emerson, Berlin
2004  Galerie  L. Richter, Hannover
1999  Vorstellung von Arbeiten in der Sendung „Spiegel TV“, „wa(h)re Liebe“
1998  Galerie West, Bern
1997  Galerie am Festungsgraben und Saalbaugalerie, Berlin
1996  Stadtgalerie Riesa, Riesa
1996  Stadtbibliothek Berlin
1996  miniature art biennale, Villa Marie, Quebec
1996  Museum und Kunstsammlung Glachau
1996  Galerie Nothelfer/Giesler, Berlin
1996  Stadtgalerie Riesa
1995  Französischer Dom Berlin
1994  Gallery Chapman Manchester
1994  Maskenprojekt „Liebe“ Tanztheater im Tacheles
1993  Galerie Acud Berlin
1991  Eastsidegallery Berlin